Datenschutzrecht: Zur Anwendbarkeit nationalen Datenschutzrechts auf ausländische Gesellschaft

Das Datenschutzrecht eines Mitgliedstaats kann auf eine ausländische Gesellschaft angewendet werden, die in diesem Staat mittels einer festen Einrichtung eine tatsächliche und effektive Tätigkeit ausübt: Die Datenschutzrichtlinie1 sieht vor, dass jeder Mitgliedstaat eine oder mehrere öffentliche Stellen benennt, die beauftragt werden, die Anwendung der von den Mitgliedstaaten auf der Grundlage der erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften in ihrem Hoheitsgebiet zu überwachen.

Jede Kontrollstelle ist dafür zuständig, im Hoheitsgebiet ihres Mitgliedstaats insbesondere Untersuchungs- und Einwirkungsbefugnisse auszuüben, und dies unabhängig vom einzelstaatlichen Recht, das auf die jeweilige Verarbeitung anwendbar ist. Zudem kann jede Kontrollstelle von einer Kontrollstelle eines anderen Mitgliedstaats um die Ausübung ihrer Befugnisse ersucht werden. (EUGH, C-230/14)

Hinweis: Dazu auch das OVG Schleswig-Holstein beachten.

Sachverhalt
Weltimmo, eine in der Slowakei eingetragene Gesellschaft, betreibt eine Website zur Vermittlung von in Ungarn belegenen Immobilien. In diesem Rahmen verarbeitet sie der Inserenten. Die Inserate sind einen Monat lang kostenlos, danach muss dafür bezahlt werden. Zahlreiche Inserenten verlangten per E-Mail die Löschung ihrer Inserate am Ende des ersten Monats und gleichzeitig die Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten. Weltimmo kam dieser Löschung jedoch nicht nach und stellte den Betreffenden ihre Dienstleistungen in Rechnung. Da die in Rechnung gestellten Beträge nicht bezahlt wurden, übermittelte Weltimmo die personenbezogenen Daten der Inserenten an verschiedene Inkassounternehmen.

Die Inserenten reichten bei der ungarischen Datenschutzbehörde Beschwerden ein. Diese verhängte gegen Weltimmo ein Bußgeld von 10 Mio. ungarischen Forint (HUF) (etwa 32 000 Euro) wegen Verletzung des ungarischen Gesetzes, mit dem die Richtlinie umgesetzt wird.

Weltimmo hat daraufhin die Entscheidung der Kontrollstelle bei den ungarischen Gerichten angefochten. Die Kúria (Oberster Gerichtshof, Ungarn), die zur Entscheidung über den Rechtsstreit im Kassationsverfahren berufen ist, fragt den Gerichtshof, ob im vorliegenden Fall die Richtlinie der ungarischen Kontrollstelle erlaubt, das auf der Grundlage der Richtlinie erlassene ungarische Recht anzuwenden und das in diesem Gesetz vorgesehene Bußgeld zu verhängen.

Die Entscheidung des EUGH
Mit Urteil vom heutigen Tag weist der Gerichtshof darauf hin, dass nach der Richtlinie jeder Mitgliedstaat die Vorschriften anwenden muss, die er zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassen hat, sofern die Datenverarbeitung im Rahmen der in seinem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten einer Niederlassung ausgeführt wird, die der für die Verarbeitung Verantwortliche besitzt. In diesem Zusammenhang stellt der Gerichtshof fest, dass das Vorhandensein eines einzigen Vertreters unter bestimmten Umständen ausreichen kann, um eine Niederlassung zu begründen, wenn dieser Vertreter mit einem ausreichenden Grad an Beständigkeit für die Erbringung der betreffenden Dienstleistungen im fraglichen Mitgliedstaat tätig ist. Zudem führt der Gerichtshof aus, dass der Begriff der Niederlassung jede tatsächliche und effektive Tätigkeit, die mittels einer festen Einrichtung ausgeübt wird, umfasst, selbst wenn sie nur geringfügig ist.

Im vorliegenden Fall stellt der Gerichtshof fest, dass Weltimmo unstreitig eine tatsächliche und effektive Tätigkeit in Ungarn ausübt. Den Erläuterungen der ungarischen Kontrollstelle zufolge verfügt Weltimmo über einen Vertreter in Ungarn, der im slowakischen Handelsregister unter einer Adresse in Ungarn aufgeführt ist und versucht hat, mit den Inserenten über die Begleichung der unbezahlten Forderungen zu verhandeln. Dieser Vertreter hat den Kontakt zwischen dieser Gesellschaft und den Inserenten hergestellt und die Gesellschaft im Verwaltungsverfahren und vor Gericht vertreten. Weltimmo hat außerdem in Ungarn ein Bankkonto zur ihrer Forderungen eröffnet und nutzt dort zur Abwicklung ihrer laufenden Geschäfte ein Postfach.
Mit diesen Angaben, die vom vorlegenden Gericht zu prüfen sind, kann der Nachweis erbracht werden, dass in Ungarn eine „Niederlassung“ im Sinne der Richtlinie besteht. Wenn der Nachweis gelingt, unterliegt die Tätigkeit von Weltimmo dem ungarischen Datenschutzrecht.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass jede von einem Mitgliedstaat eingeführte Kontrollstelle dafür Sorge zu tragen hat, dass die von allen Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Richtlinie 95/46 erlassenen Vorschriften im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats eingehalten werden. Daher kann sich jede Person zum Schutz der die Person betreffenden Rechte und Freiheiten bei der Verarbeitung personenbezogener Daten an jede Kontrollstelle mit einer Eingabe wenden, selbst wenn das auf diese Verarbeitung anwendbare Recht das eines anderen Mitgliedstaats ist.

Im Falle der Anwendung des Rechts eines anderen Mitgliedstaats sind jedoch die Untersuchungsbefugnisse der Kontrollstelle unter Einhaltung insbesondere der territorialen Souveränität der anderen Mitgliedstaaten auszuüben, so dass eine nationale Kontrollstelle keine Sanktionen außerhalb des Hoheitsgebiets ihres Mitgliedstaats verhängen darf.

Sollte das vorlegende Gericht feststellen, dass Weltimmo in Ungarn nicht über eine „Niederlassung“ im Sinne der Richtlinie verfügt, und dass das auf die fragliche Verarbeitung anwendbare Recht daher das eines anderen Mitgliedstaats ist, darf die ungarische Kontrollstelle folglich nicht die Sanktionsbefugnisse ausüben, die ihr durch das ungarische Recht übertragen worden sind.
Nach der in der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtung zur Zusammenarbeit obliegt es jedoch dieser Kontrollstelle, die Kontrollstelle des betreffenden anderen Mitgliedstaats zu ersuchen, einen etwaigen Verstoß gegen das Recht dieses Staates festzustellen und die allenfalls in diesem Recht vorgesehenen Sanktionen zu verhängen.

Quelle: Pressemitteilung des Gerichts

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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