Wettbewerbsrecht: Preisangabenverordnung in weiten Teilen rechtlich unwirksam

Ist die Preisangabenverordnung unwirksam, in Teilen unwirksam oder weiterhin anwendbares und zu beachtendes Recht? Hintergrund ist, dass europaweit das Wettbewerbsrecht (eigentlich) vereinheitlicht werden sollte, der deutsche Gesetzgeber aber die Problematik weiterhin ignoriert. Dies schlägt speziell bei der Preisangabenverordnung durch – ein Überblick.

Update im März 2016: Es wurde schon im Dezember 2015 die BGH Entscheidung „Der Zauber des Nordens“ aufgenommen und nun auch  „Wir helfen im Trauerfall“ sowie der Beitrag nochmals insgesamt aktualisiert.

Ausgangspunkt der Diskussion zur Unwirksamkeit der Preisangabenverordnung

Eigentlich ist es ganz einfach: Bereits am 12.06.2013 endete entsprechend Art.3 Abs.5 UGP- eine beachtliche Übergangsfrist – seitdem nämlich ist es nicht mehr zulässig, dass auch nationale Vorschriften, die ein höheres Verbraucherschutzniveau als auf europäischer Ebene gewährleisten wollen, noch Anwendung finden.

Die Mitgliedstaaten können für einen Zeitraum von sechs Jahren ab dem 12. Juni 2007 in dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich nationale Vorschriften beibehalten, die restriktiver oder strenger sind als diese Richtlinie und zur Umsetzung von Richtlinien erlassen wurden und die Klauseln über eine Mindestangleichung enthalten. Diese Maßnahmen müssen unbe- dingt erforderlich sein, um sicherzustellen, dass die Verbraucher auf geeignete Weise vor unlauteren Geschäftspraktiken geschützt werden und müssen zur Erreichung dieses Ziels verhältnismäßig sein. Im Rahmen der nach Artikel 18 vorgesehenen Überprüfung kann gegebenenfalls vorgeschlagen werden, die Geltungsdauer dieser Ausnahmeregelung um einen weiteren begrenzten Zeit- raum zu verlängern.

Dieser Zustand existiert nunmehr also seit Jahren – und geschehen ist nichts. Dabei gibt es durchaus genügend Beiträge in der Fachliteratur, schon seit Anfang 2013, zu diesem Thema. Doch der Gesetzgeber schläft. Das Ergebnis: Es gibt zahlreiche Regelungen, bei denen Streit besteht oder sogar unstreitig ist, dass sie in der bisherigen Form (wohl) unwirksam sind.

Diskussion: Unwirksamkeit der Preisangabenverordnung?

Ganz erheblich Betroffen hiervon ist die Preisangabenverordnung. Es ist nämlich inzwischen davon auszugehen, dass die Preisangabenverordnung zumindest in weiten Teilen keine Anwendung mehr finden darf (so dann etwa auch Köhler, bereits in der WRP 6/2013, S.727). Insbesondere das so beliebte Thema bei Abmahnungen der „unmittelbaren “ im §2 Preisangabenverordnung ist in der Diskussion dahingehend, ob es unwirksam ist – insbesondere bei §2 Preisangabenverordnung wird diese Diskussion geführt (so insbesondere auch Köhler).

Meinung des BGH

Der (I ZR 139/12) hat sich im Oktober 2013 zu dem Thema tatsächlich schon geäußert und dabei zur Auffassung von Köhler Bezug genommen:

Die Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 1 ist nicht durch Art. 3 Abs. 5 Satz 1 UGP-Richtlinie ausgeschlossen. Nach der letztgenannten Vor- schrift konnten nationale Bestimmungen, die im Vergleich zum Unionsrecht ein geringeres oder strengeres Verbraucherschutzniveau gewährleisteten, nur bis zum 12. Juni 2013 beibehalten werden. Dementsprechend dürfen sie danach nicht mehr angewendet werden (Köhler, WRP 2013, 723 Rn. 1).
Die Regelungen in § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV sind von Art. 3 Abs. 5 Satz 1 UGP-Richtlinie nicht betroffen. Sie dienen der Umsetzung des Art. 3 Abs. 4 Preisangabenrichtlinie, dessen Vorgaben auch eingehalten werden. Nach Art. 3 Abs. 4 UGP-Richtlinie ist die unionsrechtliche Bestimmung des Art. 3 Abs. 4 Preisangabenrichtlinie für die dort geregelten Aspekte im Verhältnis zur UGP- Richtlinie maßgebend.

Allerdings hat der BGH dabei nicht thematisiert, dass § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV über die Preisangabenrichtlinie hinausgeht, soweit eine Darstellung des Grundpreises „in unmittelbarer Nähe“ gefordert wird. Mit der Richtlinie wäre vielmehr zu prüfen, ob der Grundpreis „klar erkennbar“ und „gut lesbar“ ist – zwingend „in unmittelbarer Nähe“ muss das aber nicht sein. Diese sehr kurze Aussage des BGH war insoweit wenig überzeugend.

Tatsächlich hat der Bundesgerichtshof sich sodann im September 2014 (I ZR 201/12) kritischer geäußert und würdigt die in der Literatur geführte Auseinandersetzung, auf die er ausdrücklich Bezug nimmt, ohne sich selber zu positionieren. Die hier im Streit stehende Frage wurde vom BGH sodann dem EUGH vorgelegt, so dass die Rechtsfrage hier weiterhin (wieder) offen ist und eine hoffentlich klare Ansage des EUGH zu erwarten sein wird. Bis dahin umschifft der BGH diese Problematik, wie sich etwa in einer Entscheidung aus dem Mai 2015 (BGH, I ZR 158/14) zeigt: Hier hat der BGH die Frage weiterhin offen gelassen, aber darauf hingewiesen, dass bereits der Verstoss gegen §1 Abs.1 PAngV verstößt „soweit“ dieser Unionsrecht umsetzt. Entsprechend hat der BGH (I ZR 61/14) später nochmals betont, dass jedenfalls hinsichtlich §1 Abs.1 Satz 1 PAngV keine Probleme bestehen

soweit diese der Umsetzung von Art. 7 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG dient.

Konsequenz für Abmahnungen im Wettbewerbsrecht

Der aktuelle Sachstand bedeutet nach meiner Sicht mit Blick auf potentielle Wettbewerbsverstöße folgendes:

  • Bei Abmahnungen ist genau zu prüfen, welche Regelungen überhaupt noch Anwendung finden können. Während die allgemeinen Anforderungen des §1 (mit Ausnahme von §1 Abs.6 S.3) nach bisheriger Auffassung noch Bestand haben können ist fraglich in welchem Umfang §2 Abs.1 S.1 Geltung beanspruchen kann. Im Mai 2015 ging der BGH hier allerdings offenkundig von einer Wirksamkeit aus.
  • Es ist derzeit hochgradig fraglich, ob die Auszeichnung entsprechend §2 PAnGV des Grundpreises „in unmittelbarer Nähe des Endpreises“ erfolgen muss – gleichsam muss der Grundpreis „klar erkennbar“ sein, weswegen er weiterhin nicht versteckt werden darf.
  • Die bisher vorliegenden BGH-Entscheidungen ist denkbar kurz und aktuell zumindest teilweise schwer nachzuvollziehen. Es zeigt sich aber zunehmend – bis zur Klärung des EUGH – das Rosinentheorie-Prinzip ab: Die Klauseln werden berücksichtigt „soweit“ sie europäisches Recht umsetzen. Das aber macht die Anwendung im Ergebnis noch schwieriger, da man auf dem Weg das gesetzliche Bestimmtheitsgebot aushöhlt und gerade fraglich ist, was nun zu berücksichtigen ist.
  • Wenn bereits Unterlassungserklärungen abgeben wurden, muss geprüft werden, wie diese abgefasst sind und ob hier gehandelt werden muss bzw. ob die weitere Entwicklung im Auge behalten werden muss.
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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