Urteil: Filesharing-Abmahnung die über Rechtslage täuscht kann Betrug sein – Vergleich kann angefochten werden

Das Amtsgericht Düsseldorf (57 C 6993/13) hat sich – endlich einmal – mit einem Vergleich beschäftigt, der im Zuge einer Filesharing- geschlossen wurde. Nach Abgabe der wurden wohl erneut Dateien angeboten – und die gefordert. Dies lehnte das Amtsgericht ab. Dabei erkannte das Gericht, dass das Vorspiegeln einer unwahren Rechtslage einen darstellen kann:

Die […] dargestellte Rechtsauffassung, wonach der Anschlussinhaber für die Rechtsanwaltskosten von Abmahnungen wegen über den Anschluss begangener Urheberrechtsverletzungen unabhängig von seiner Täterschaft stets haftet, hatte bereits im Jahr 2009 keine Grundlage in der Rechtsprechung. Dass nämlich die des Anschlussinhabers nach § 97 Abs. 1 UrhG zur Vermeidung einer ausufernden Haftung durch Dritte die Verletzung von Prüfpflichten voraussetzt, war in der obergerichtlichen Rechtsprechung auch bereits vor der im Jahr 2010 ergangenen Entscheidung „Sommer unseres “ des anerkannt (BGH NJW 1999, 1960). Somit haben die Klägerinnen der Beklagten in ihrem Abmahnschreiben eine unzutreffende der Beklagten ausweglos erscheinende Rechtslage vorgespiegelt. […]
Somit liegt eine Täuschungshandlung gemäß § 263 Abs. 1 StGB vor, die geeignet ist einen über die in der Rechtsprechung anerkannte Rechtslage auszulösen, der wiederum Grundlage einer Vermögensverfügung durch Abschluss des Vergleichsvertrages ist, wobei in der Begründung dieser Verbindlichkeit bereits ein Vermögensschaden zu erblicken ist.

Das Ergebnis wäre zum einen die Möglichkeit der Anfechtung nach §123 BGB – allerdings geht das Gericht einen anderen Weg: Es verweist auf §853 BGB, der nach Auffassung des Gerichts auch noch von Amts wegen zu prüfen ist. Damit wären Forderungen aus aussergerichtlichen Vergleichen nach Filesharing-Abmahnungen grundsätzlich einer sehr kritischen Bewertung von Gerichten unterzogen. Weiterhin:

Darüber hinaus steht der Durchsetzung der Forderung der Klägerinnen § 242 BGB entgegen, weil der Beklagten ein Anspruch gegen die Klägerinnen auf Befreiung von der begründeten Verbindlichkeit aus § 826 BGB zusteht, da im täuschenden Handeln der Klägerinnen zugleich eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung liegt.

Das Ergebnis: Es gibt zwar einen Vergleich, der muss aber nicht bedient werden – weil die Abmahnung vorher zu aggressiv und täuschend geschrieben war.

Bis zu diesem Punkt ist die Entscheidung überzeugend und es bleibt die spannende Frage, ob sich weitere Gerichte dem ganzen anschliessen. Von daher muss die Entscheidung auch mit Vorsicht genossen werden – es handelt sich nun einmal allein um eine einzelne amtsgerichtliche Meinung. Das mag von anderen Richtern durchaus anders gesehen werden. Jedenfalls aber, wenn in der Abmahnung über die Rechtslage getäuscht wurde, wird man den Vergleich anfechten können (wobei erst ab Kenntnis die Anfechtungsfrist läuft!).

Weiterhin hat sich das Amtsgericht (ab Rn. 19) mit dem Vergleichstext befasst und diesen als AGB gegenüber Verbrauchern eingestuft, wobei u.a. die Höhe der Vertragsstrafe eine unangemessene Benachteiligung darstellt. Dies ist insoweit übereinstimmend mit der Rechtsprechung des BGH, der in diesem Zuge selbst im Kaufmännischen Verkehr (bei vollkommen überzogenen Vertragsstrafen) eine Kontrollmöglichkeit zubilligt. Das Gericht stört sich dann beid er Prüfung der Höhe der Vertragsstrafe aber u.a. auch daran, dass die Vertragsstrafe bei jedem Verstoss verwirkt ist, beim Filesharing aber das Angebot nicht nur für eine logische Sekunde, sondern längerfristig besteht, dies müsse man Berücksichtigen. Der Ansatz ist nachvollziehbar aber falsch: Bei der Auslegung der Willenserklärung würde man zeitnahe Angebote als einheitliches Handeln auffassen. Selbst wenn man auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs verzichtet hat (was man nicht muss), würde dies bei offenkundig einheitlichem Handeln nicht schaden. An dieser Stelle lese ich die Ausführungen des Gerichts vom Ergebnis her zwar gerne, gleichwohl sind sie m.E. sachlich falsch, da die Unterlassungserklärung hier entsprechend auszulegen wäre.

Fazit: Vertragsstrafeforderungen nehmen in den letzten Monaten in meiner Praxis immer mehr zu, wenn auch weniger im Bereich des Filesharings. Eine abgegebene Unterlassungserklärung ist zwar grundsätzlich ein Problem, tatsächlich kann man aber häufig noch etwas „retten“. Klüger ist weiterhin, sich von einem fachkundigen Rechtsanwalt beraten zu lassen, bevor man eine Unterlassungserklärung abgibt, auch wenn dies zusätzlich etwas kostet. Gerade bei Verbrauchern aber lässt sich im Nachhinein manches noch retten, bei Kaufleuten dagegen wird es erheblich schwieriger, wenn es auch nicht unmöglich ist.

Für Filesharing-Abmahnungen bietet sich damit ein weiterer Streitfall an. Sicherlich wird es schwieriger sein, wenn man anwaltlich vertreten war und eine solche Unterlassungserklärung wie die vorliegende abgegeben hat – dann wir die Kausalität zwischen Täuschung und Unterschrift kritisch zu sehen sein. Es war allerdings andererseits schon lange überfällig, dass so manch überzogen aggressiv formulierte Abmahnung zu Konsequenzen führt. Mitunter wurde es sich hier schlicht zu oft zu einfach gemacht.

Beachten Sie dazu auch bei uns: Eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung allein ist noch kein Betrug

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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