Whistleblowing: Rechtsprechung entsprechend auf innerbetriebliche Anzeigen anwendbar

Das Bundesarbeitsgericht (2 AZR 646/11) hat sich mit der anderen Seite des Whistleblowings beschäftigt: Die Rechtsprechung verlangt, dass man sich als grundsätzlich erst um innerbetriebliche Klärung bemüht. Doch was, wenn man sich hier vergreift, wenn man falsche Tatsachen vorträgt, etwa auf Grund eines Irrtums? Das BAG sagt, dass man die Grundsätze zum Whisteblowing allgemein übertragen kann:

Auch unterhalb der Schwelle eines strafbaren Verhaltens muss ein Arbeitnehmer bei der Mitteilung vermeintlicher Missstände im Betrieb angemessen auf Persönlichkeitsrechte seiner Arbeitskollegen und Vorgesetzten Rücksicht nehmen. Das folgt schon aus dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers an der Wahrung des Betriebsfriedens.

Auch innerbetrieblich darf man sich also nicht wie die Axt im Walde verhalten – gleichwohl: Beruhen die Vorwürfe auf einem , ist dies zu berücksichtigen. Insgesamt ist auch in diesem Fall eine Interessenabwägung vorzunehmen bei der Frage, ob nicht doch eine vor einer Kündigung angezeigt ist.

Zudem hat sich das BAG nochmals sehr prägnant zum aktuellen Stand des „Whistleblowings“ geäußert:

Im Fall der Erstattung von Anzeigen bei Strafverfolgungsbehörden oder anderen zuständigen Stellen („Whistleblowing“) ist eine vertragswidrige Pflichtverletzung nicht stets schon dann zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer die Anzeige erstattet, ohne dabei wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben zu machen (BAG 7. Dezember 2006 – 2 AZR 400/05 – Rn. 18, AP 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 55 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 70; 3. Juli 2003 – 2 AZR 235/02 – zu II 3 b der Gründe, BAGE 107, 36).

Eine Anzeige kann unabhängig vom Nachweis der mitgeteilten Verfehlung und ihrer Strafbarkeit ein Grund zur Kündigung sein, wenn sie sich als eine unverhältnismäßige Reaktion auf das Verhalten des Arbeitgebers oder eines seiner Repräsentanten darstellt. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, nach der Strafanzeigen gegen den Arbeitgeber mit dem Ziel, Missstände in Unternehmen oder Institutionen offenzulegen, grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Art. 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten fallen (EGMR 21. Juli 2011 – 28274/08 – [Heinisch] Rn. 63 ff., AP BGB § 626 Nr. 235 = EzA BGB 2002 § 626 Anzeige gegen Arbeitgeber Nr. 1), schließt eine solche Bewertung nicht generell aus.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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